7. Januar 2017

Deutsches Fernsehen ist für Imbezile

Ungeschützt, undifferenziert und vielleicht eine Spur ungerecht, trotzdem ich muss es sagen: deutsches Fernsehen ist scheiße, megascheiße. Da gab es zum Beispiel in den 90ern auf Sat1 eine Serie namens „Der Bergdoktor“. Medizinische Dramen – „wir haben maximal 48 Stunden Zeit für die Transplantation“ – , vorhersagbare Handlung und eine ordentliche Prise Kitsch, alles vor Postkartenkulisse. War ein riesiger Erfolg. So riesig, dass das ZDF, der Spezialsender für verlogenes Schmusefernsehen, seit 2008 ein Remake der Serie sendet, mittlerweile in der 9. Staffel. Oder nehmen wir das „Forsthaus Falkenau“, ein gütiger Förster, der mit viel Herz und Besonnenheit für Ordnung sorgt – 26(!) Staffeln. „In aller Freundschaft“, wieder eine Arztserie, diesmal um eine patente Truppe von Klinikärzten, ansonsten ähnliche Rezeptur – 20 Staffeln. „Um Himmels willen“, eine Schmunzelserie um einige gewitzte Nonnen im Clinch mit dem Bürgermeister, derzeit wird die 16. Staffel produziert. Usw. usw.

2. Januar 2017

Die Normalität des Terrors

Zum Anschlag in Istanbul war heute in der New York Times folgendes Zitat eines Bürgers von Istanbul zu lesen:
I don’t want to say anything political, but this can’t be accepted as the new norm. Terrorism is everywhere now, and the government has no control. Something needs to be done. There is no life left in Istanbul.

Diese Worte bringen unsere Situation genau auf den Punkt.

31. Dezember 2016

Slow Food und die Identitären

Die Slow-Food-Bewegung zählt sich zu den Kräften des Guten auf dieser Welt. Und gegen Kochen mit frischen Zutaten statt Fertiggericht aus Mikrowelle sowie Genuss am Essen und Trinken generell ist auch nichts zu sagen. Positiv auch die Ablehnung der Massentierhaltung, die allerdings nur theoretisch bleibt, solange der Slow-Food-Restaurantführer vorwiegend Restaurants empfiehlt, die Fleisch aus herkömmlicher Quälhaltung verarbeiten.

Anderes ist dagegen reaktionär und weist Parallelen zu rechten Positionen auf. Das beginnt mit der Traditionspflege.

22. Dezember 2016

Videoüberwachung verhindert Anschläge

Der Anschlag in Berlin wirft mal wieder einige Fragen zu der ziemlich nachlässigen Art auf, wie wir in Deutschland mit Sicherheitsfragen umgehen. Wieso war vor dem Hintergrund des verheerenden Anschlags in Nizza und der wiederholten Aufforderung des Islamischen Staates, Fahrzeuge als Waffe einzusetzen der direkt an einem innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt gelegene Weihnachtsmarkt durch ein paar einfache Barrieren nicht gegen dieses Szenario abgesichert? Wieso können erkannte terroristische Gefährder, die zudem kriminell sind und außerdem abgeschoben werden sollen, sich über einen längeren Zeitraum völlig frei im Bundesgebiet bewegen? Und wieso verzichten wir immer noch auf den breitflächigen Einsatz von Videokameras?

Die Ermittlungen der Polizei scheinen im Wesentlichen auf Kommissar Zufall angewiesen zu sein.

17. Dezember 2016

Aleppo und der linke Pazifismus

Ich fand die Friedensbewegung schon in den 80er Jahren völlig bescheuert. Krieg schien in ihrer Weltsicht etwas zu sein, was ausschließlich vom Westen ausging. Dass es die UdSSR war, die das Wettrüsten mit den SS-20-Systemen eröffnete, um eine Lücke in der Eskalationsleiter auszunutzen und auf diese Weise einen Keil zwischen Nordamerika und Europa zu treiben, wurde komplett ausgeblendet ebenso wie die Tatsache, dass der NATO-Doppelbeschluss das Angebot an die UdSSR beinhaltete, gegenseitig auf alle Mittelstreckenraketen zu verzichten und die Nachrüstung erst notwendig wurde, nachdem die sowjetische Führung von ihrem Kamikazekurs nicht abrücken wollte. Für mich zeichnete sich die Friedensbewegung damals durch eine Mischung aus Selbstgerechtigkeit, Antiamerikanismus und totaler Ignoranz in strategischen Fragen aus. Trotz linker Grundeinstellung war ich als einer der wenigen Studenten in Bonn dezidiert für die Nachrüstung.

10. Dezember 2016

Postfaktisch und die Aufklärung

Ich weiß nicht, ob „postfaktisch“ wirklich das geeignete Wort ist, um die in der Tat offensichtliche Veränderung des politischen Diskurses zu beschreiben. Anders als in den letzten Tagen zu hören war, geht es ja nicht um Gefühle statt Tatsachen, im Gegenteil, es geht nach wie vor um Tatsachen, um nichts anderes. Die AfD, Pegida, Trump, Russia Today usw. werfen mit (angeblichen) Tatsachen nur so um sich. Sie behaupten, dass Flüchtlinge überdurchschnittlich kriminell sind, dass sie nie für den Irak-Krieg waren oder dass russische Mädchen in Deutschland vergewaltigt worden sind und keine Hilfe von den Behörden bekommen haben. Alles Sachverhalte, deren Wahrheit behauptet wird. Mit anderen Worten, die schlimmsten Vertreter des postfaktischen Diskurses bewegen sich ganz klassisch auch weiterhin in einem Diskurs, der rein faktenorientiert ist.

20. November 2016

Gewalt, Krieg, Isolierung und Straßenkämpfe. Vier Voraussagen zur Präsidentschaft von Trump

Die ersten Personalentscheidungen sind getroffen, und sie sind nicht gut. Zwei Merkmale treten besonders stark hervor. Erstens, die bereits den Wahlkampf von Trump kennzeichnende Affinität zu Gewalt findet sich mit Ausnahme des Stabschefs Reince Priebus bei allen Personen wieder. Zweitens, erklärter Feind der USA in den nächsten Jahren ist der sog. radikale Islam. Nehmen wir einfach die Äußerungen, die in den letzten Tagen bekannt geworden sind. So erklärt Bannon Cheney, Darth Vader und Satan zu seinen Vorbildern. Jeff Sessions ist wie sein künftiger Chef der Ansicht, dass Waterboarding wiedereingeführt werden müsste, wenn nicht noch härtere Foltermethoden. Er spricht sich, genau wie der wahrscheinliche CIA-Chef Pompeo, außerdem auch für die sog. Black Sites aus, die es bereits in der ersten Amtszeit von G. W. Bush gegeben hat, geheime CIA-Gefängnisse, in denen die Häftlinge über keinerlei Rechte verfügen und ihren Bewachern vollkommen ausgeliefert sind. Für den kommenden Sicherheitsberater, Flynn, ist bekanntlich nicht nur der Terrorismus, sondern der radikale Islam (was immer das genau sein soll) insgesamt der Feind. Er sieht uns in nichts weniger als einem Weltkrieg mit diesem Gegner. Das alles geht in eine ähnliche Richtung. Trump und seine Mannschaft sehen den (radikalen) Islam als einen Todfeind und sind dezidiert dafür, gegen diesen Gegner einen Krieg ohne rechtliche und humanitäre Einschränkungen zu führen. Von irgendwelchen friedlichen Mitteln in diesem Zusammenhang – Gegennarrative zu den Weltdeutungen der Islamisten, humanitäre Unterstützung oder dergleichen – ist bisher nicht die Rede gewesen. Das Lösungsmittel der Wahl ist nackte Gewalt.

12. November 2016

Trump und die Sehnsucht nach Gewalt

Trump hat im Laufe des Wahlkampfe vieles angekündigt, darunter auch die Rückkehr zu einer härteren Terrorbekämpfung. Insbesondere solle die Folter wieder eingeführt werden, und zwar nicht nur Waterboarding, sondern auch schlimmere Methoden. Welche er damit meint, hat er nicht gesagt, wird aber für Vorschläge offen sein.

Von Fragen der Rechtmäßigkeit und der Moral (ein sehr unklarer Begriff) abgesehen, gibt es seit langem erhebliche Zweifel, dass Folter überhaupt ein zweckmäßiges Instrument bei der Bekämpfung des Terrorismus ist. Auf Dauer bekommt man Gefangene auch so zum Reden und der negative Propagandawert führt nur zu mehr Terrorismus und nicht weniger.

26. Oktober 2016

Argumente für Videoüberwachung

Der deutsche Innenminister bekennt Farbe. De Maizière spricht sich für eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung in Bahnhöfen und Einkaufszentren aus und kündigt hierzu einen Gesetzesentwurf an, der sich momentan in der Ressortabstimmung befinde. Dabei soll, so technisch realisierbar, über die bloße Videokamera hinaus auch Gesichtserkennung eingesetzt werden, also ein Abgleich mit Datenbanken. Grüne und FDP sind dagegen, von den anderen Parteien war noch nicht viel zu hören.

Die Argumente der Kritiker sind in folgendem Ausschnitt aus einer Presseerklärung des FDP-Politikers Kubicki von heute ganz gut zusammengefasst. Darin heißt es:

Wichtiger und effektiver wäre es, die bestehenden Gesetze zum Schutz der Menschen konsequent anzuwenden. Deren Vollzug hat stets Vorrang vor neuen Gesetzen. Wir brauchen eine erhöhte Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum, gezielte anlassbezogene Maßnahmen, eine enge Zusammenarbeit der verantwortlichen Sicherheitsbehörden und einen wirksamen Vollzug. Gefährder müssen gezielt überwacht werden, statt alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen.

Vielem kann ich mich durchaus anschließen, der Schlussfolgerung – Ablehnung der Pläne des BMI – allerdings nicht.

22. Oktober 2016

Abgesang auf Europa

Die EU ist nicht in der Lage zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik, weil mehrere Länder sich glatt verweigern, die die EU in erster Linie als praktische Einnahmequelle sehen. Sie findet keinen Kurs gegenüber einem immer aggressiver werdenden Russland, dessen eklatante Brüche des Völkerrechts keinerlei Konsequenzen haben und teils sogar auf Sympathie stoßen. Großbritannien tritt aus der EU aus. Es drohen Referenden über einen EU-Austritt in weiteren wichtigen Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder den Niederlanden. Eine belgische Provinz schafft es mühelos, den Abschluss eines sieben Jahre lang verhandelten Handelsvertrages der gesamten EU mit Kanada zu blockieren und erntet breite Zustimmung seitens der EU-Bürger selbst. Verschiedene EU-Staaten driften in Richtung eines autoritären, antidemokratischen Systems. Über den Kontinent schwappt eine Welle der Fremdenfeindlichkeit.


Diese Aufzählung klingt nach einer Dystopie, aber es ist die Wirklichkeit, so ist der Zustand der EU am Vormittag des 22. Oktober 2016. Vor wenigen Jahren undenkbar, ist es in sehr kurzer Zeit so weit gekommen. Und der Prozess der Erosion und Auflösung wird sich vermutlich noch fortsetzen. Manchmal denke ich, wir rasen dem Abgrund entgegen und merken es nicht einmal. Das Projekt des Westens, der Aufklärung, der Demokratie, der Menschen- und Bürgerrechte, des freien Handels, des Vorrangs einer gemeinsamen europäischen Kultur und Identität vor nationalen und regionalen Egoismen und der Sicherung des Friedens scheint vorerst am Ende. Erlegt von innen, durch EU-Bürger und Regierungen selbst, die den Blick fürs Große/Ganze verloren haben. Statt dessen Intoleranz, Nationalismus, kurzsichtiger Egoismus, der Wunsch nach einer autoritären Politik des Durchgreifens, die Entschlossenheit, nicht länger zu akzeptieren, dass auch Minderheiten und politische Gegner die gleichen Rechte haben wie man selbst. Die Sehnsucht nach einer Politik der Reinheit und Abschottung. Europa Oktober 2016, der Wahnsinn regiert.