Ungeschützt, undifferenziert und vielleicht eine Spur
ungerecht, trotzdem ich muss es sagen: deutsches Fernsehen ist scheiße, megascheiße.
Da gab es zum Beispiel in den 90ern auf Sat1 eine Serie namens „Der Bergdoktor“.
Medizinische Dramen – „wir haben maximal 48 Stunden Zeit für die Transplantation“
– , vorhersagbare Handlung und eine ordentliche Prise Kitsch, alles vor Postkartenkulisse.
War ein riesiger Erfolg. So riesig, dass das ZDF, der Spezialsender für
verlogenes Schmusefernsehen, seit 2008 ein Remake der Serie sendet,
mittlerweile in der 9. Staffel. Oder nehmen wir das „Forsthaus Falkenau“, ein
gütiger Förster, der mit viel Herz und Besonnenheit für Ordnung sorgt – 26(!)
Staffeln. „In aller Freundschaft“, wieder eine Arztserie, diesmal um eine
patente Truppe von Klinikärzten, ansonsten ähnliche Rezeptur – 20 Staffeln. „Um
Himmels willen“, eine Schmunzelserie um einige gewitzte Nonnen im Clinch mit
dem Bürgermeister, derzeit wird die 16. Staffel produziert. Usw. usw.
PP etc.
Bemerkungen zu Philosophie, Politik und weiteren Fragen großer Bedeutung
7. Januar 2017
2. Januar 2017
Die Normalität des Terrors
Zum Anschlag in Istanbul war heute in der New York Times
folgendes Zitat eines Bürgers von Istanbul zu lesen:
I don’t want to say
anything political, but this can’t be accepted as the new norm. Terrorism is
everywhere now, and the government has no control. Something needs to be done.
There is no life left in Istanbul.
Diese Worte bringen unsere Situation genau auf den Punkt.
31. Dezember 2016
Slow Food und die Identitären
Die Slow-Food-Bewegung zählt sich zu den Kräften des Guten
auf dieser Welt. Und gegen Kochen mit frischen Zutaten statt Fertiggericht aus Mikrowelle
sowie Genuss am Essen und Trinken generell ist auch nichts zu sagen. Positiv auch
die Ablehnung der Massentierhaltung, die allerdings nur theoretisch bleibt,
solange der Slow-Food-Restaurantführer vorwiegend Restaurants empfiehlt, die
Fleisch aus herkömmlicher Quälhaltung verarbeiten.
Anderes ist dagegen reaktionär und weist Parallelen zu
rechten Positionen auf. Das beginnt mit der Traditionspflege.
22. Dezember 2016
Videoüberwachung verhindert Anschläge
Der Anschlag in Berlin wirft mal wieder einige Fragen zu der
ziemlich nachlässigen Art auf, wie wir in Deutschland mit Sicherheitsfragen
umgehen. Wieso war vor dem Hintergrund des verheerenden Anschlags in Nizza und
der wiederholten Aufforderung des Islamischen Staates, Fahrzeuge als Waffe einzusetzen
der direkt an einem innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt gelegene
Weihnachtsmarkt durch ein paar einfache Barrieren nicht gegen dieses Szenario
abgesichert? Wieso können erkannte terroristische Gefährder, die zudem
kriminell sind und außerdem abgeschoben werden sollen, sich über einen längeren
Zeitraum völlig frei im Bundesgebiet bewegen? Und wieso verzichten wir immer
noch auf den breitflächigen Einsatz von Videokameras?
Die Ermittlungen der Polizei scheinen im Wesentlichen auf Kommissar
Zufall angewiesen zu sein.
17. Dezember 2016
Aleppo und der linke Pazifismus
Ich fand die Friedensbewegung schon in den 80er Jahren
völlig bescheuert. Krieg schien in ihrer Weltsicht etwas zu sein, was
ausschließlich vom Westen ausging. Dass es die UdSSR war, die das Wettrüsten mit
den SS-20-Systemen eröffnete, um eine Lücke in der Eskalationsleiter
auszunutzen und auf diese Weise einen Keil zwischen Nordamerika und Europa zu
treiben, wurde komplett ausgeblendet ebenso wie die Tatsache, dass der
NATO-Doppelbeschluss das Angebot an die UdSSR beinhaltete, gegenseitig auf alle
Mittelstreckenraketen zu verzichten und die Nachrüstung erst notwendig wurde,
nachdem die sowjetische Führung von ihrem Kamikazekurs nicht abrücken wollte. Für
mich zeichnete sich die Friedensbewegung damals durch eine Mischung aus
Selbstgerechtigkeit, Antiamerikanismus und totaler Ignoranz in strategischen
Fragen aus. Trotz linker Grundeinstellung war ich als einer der wenigen Studenten in Bonn dezidiert für die
Nachrüstung.
10. Dezember 2016
Postfaktisch und die Aufklärung
Ich weiß nicht, ob „postfaktisch“ wirklich das geeignete Wort
ist, um die in der Tat offensichtliche Veränderung des politischen Diskurses zu
beschreiben. Anders als in den letzten Tagen zu hören war, geht es ja nicht um Gefühle statt
Tatsachen, im Gegenteil, es geht nach wie vor um Tatsachen, um nichts anderes. Die
AfD, Pegida, Trump, Russia Today usw. werfen mit (angeblichen) Tatsachen nur so
um sich. Sie behaupten, dass Flüchtlinge überdurchschnittlich kriminell sind,
dass sie nie für den Irak-Krieg waren oder dass russische Mädchen in
Deutschland vergewaltigt worden sind und keine Hilfe von den Behörden bekommen
haben. Alles Sachverhalte, deren Wahrheit behauptet wird. Mit anderen Worten,
die schlimmsten Vertreter des postfaktischen Diskurses bewegen sich ganz klassisch auch
weiterhin in einem Diskurs, der rein faktenorientiert ist.
20. November 2016
Gewalt, Krieg, Isolierung und Straßenkämpfe. Vier Voraussagen zur Präsidentschaft von Trump
Die ersten Personalentscheidungen sind getroffen, und sie
sind nicht gut. Zwei Merkmale treten besonders stark hervor. Erstens, die bereits den Wahlkampf von Trump kennzeichnende
Affinität zu Gewalt findet sich mit Ausnahme des Stabschefs Reince Priebus bei
allen Personen wieder. Zweitens, erklärter Feind der USA in den nächsten Jahren
ist der sog. radikale Islam. Nehmen wir einfach die Äußerungen, die in den
letzten Tagen bekannt geworden sind. So erklärt Bannon Cheney, Darth Vader und
Satan zu seinen Vorbildern. Jeff Sessions ist wie sein künftiger Chef der
Ansicht, dass Waterboarding wiedereingeführt werden müsste, wenn nicht noch härtere
Foltermethoden. Er spricht sich, genau wie der wahrscheinliche CIA-Chef Pompeo,
außerdem auch für die sog. Black Sites aus, die es bereits in der ersten
Amtszeit von G. W. Bush gegeben hat, geheime CIA-Gefängnisse, in denen die
Häftlinge über keinerlei Rechte verfügen und ihren Bewachern vollkommen
ausgeliefert sind. Für den kommenden Sicherheitsberater, Flynn, ist bekanntlich
nicht nur der Terrorismus, sondern der radikale Islam (was immer das genau sein
soll) insgesamt der Feind. Er sieht uns in nichts weniger als einem Weltkrieg mit diesem Gegner. Das
alles geht in eine ähnliche Richtung. Trump und seine Mannschaft sehen den
(radikalen) Islam als einen Todfeind und sind dezidiert dafür, gegen diesen
Gegner einen Krieg ohne rechtliche und humanitäre Einschränkungen zu führen.
Von irgendwelchen friedlichen Mitteln in diesem Zusammenhang – Gegennarrative
zu den Weltdeutungen der Islamisten, humanitäre Unterstützung oder dergleichen
– ist bisher nicht die Rede gewesen. Das Lösungsmittel der Wahl ist nackte Gewalt.
12. November 2016
Trump und die Sehnsucht nach Gewalt
Trump hat im Laufe des Wahlkampfe vieles angekündigt,
darunter auch die Rückkehr zu einer härteren Terrorbekämpfung. Insbesondere solle
die Folter wieder eingeführt werden, und zwar nicht nur Waterboarding, sondern
auch schlimmere Methoden. Welche er damit meint, hat er nicht gesagt, wird aber
für Vorschläge offen sein.
Von Fragen der Rechtmäßigkeit und der Moral (ein sehr
unklarer Begriff) abgesehen, gibt es seit langem erhebliche Zweifel, dass
Folter überhaupt ein zweckmäßiges Instrument bei der Bekämpfung des Terrorismus
ist. Auf Dauer bekommt man Gefangene auch so zum Reden und der negative
Propagandawert führt nur zu mehr Terrorismus und nicht weniger.
26. Oktober 2016
Argumente für Videoüberwachung
Der deutsche Innenminister bekennt Farbe. De Maizière
spricht sich für eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung in Bahnhöfen
und Einkaufszentren aus und kündigt hierzu einen Gesetzesentwurf an, der sich
momentan in der Ressortabstimmung befinde. Dabei soll, so technisch realisierbar,
über die bloße Videokamera hinaus auch Gesichtserkennung eingesetzt werden,
also ein Abgleich mit Datenbanken. Grüne und FDP sind dagegen, von den anderen
Parteien war noch nicht viel zu hören.
Die Argumente der Kritiker sind in folgendem Ausschnitt aus
einer Presseerklärung des FDP-Politikers Kubicki von heute ganz gut zusammengefasst.
Darin heißt es:
Wichtiger und effektiver wäre es, die bestehenden Gesetze zum Schutz
der Menschen konsequent anzuwenden. Deren Vollzug hat stets Vorrang vor neuen
Gesetzen. Wir brauchen eine erhöhte Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum,
gezielte anlassbezogene Maßnahmen, eine enge Zusammenarbeit der
verantwortlichen Sicherheitsbehörden und einen wirksamen Vollzug. Gefährder
müssen gezielt überwacht werden, statt alle Bürger unter Generalverdacht zu
stellen.
Vielem kann ich mich durchaus anschließen, der
Schlussfolgerung – Ablehnung der Pläne des BMI – allerdings nicht.
22. Oktober 2016
Abgesang auf Europa
Die EU ist nicht in der Lage zu einer gemeinsamen
Flüchtlingspolitik, weil mehrere Länder sich glatt verweigern, die die EU in
erster Linie als praktische Einnahmequelle sehen. Sie findet keinen Kurs
gegenüber einem immer aggressiver werdenden Russland, dessen eklatante Brüche
des Völkerrechts keinerlei Konsequenzen haben und teils sogar auf Sympathie
stoßen. Großbritannien tritt aus der EU aus. Es drohen Referenden über einen
EU-Austritt in weiteren wichtigen Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder den
Niederlanden. Eine belgische Provinz schafft es mühelos, den Abschluss eines
sieben Jahre lang verhandelten Handelsvertrages der gesamten EU mit Kanada zu
blockieren und erntet breite Zustimmung seitens der EU-Bürger selbst. Verschiedene
EU-Staaten driften in Richtung eines autoritären, antidemokratischen Systems. Über
den Kontinent schwappt eine Welle der Fremdenfeindlichkeit.
Diese Aufzählung klingt nach einer Dystopie, aber es ist die
Wirklichkeit, so ist der Zustand der EU am Vormittag des 22. Oktober 2016. Vor
wenigen Jahren undenkbar, ist es in sehr kurzer Zeit so weit gekommen. Und der Prozess
der Erosion und Auflösung wird sich vermutlich noch fortsetzen. Manchmal denke
ich, wir rasen dem Abgrund entgegen und merken es nicht einmal. Das Projekt des
Westens, der Aufklärung, der Demokratie, der Menschen- und Bürgerrechte, des
freien Handels, des Vorrangs einer gemeinsamen europäischen Kultur und
Identität vor nationalen und regionalen Egoismen und der Sicherung des Friedens
scheint vorerst am Ende. Erlegt von innen, durch EU-Bürger und Regierungen
selbst, die den Blick fürs Große/Ganze verloren haben. Statt dessen Intoleranz,
Nationalismus, kurzsichtiger Egoismus, der Wunsch nach einer autoritären
Politik des Durchgreifens, die Entschlossenheit, nicht länger zu akzeptieren,
dass auch Minderheiten und politische Gegner die gleichen Rechte haben wie man
selbst. Die Sehnsucht nach einer Politik der Reinheit und Abschottung. Europa Oktober
2016, der Wahnsinn regiert.
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